Montag, 29. August 2016

Weinrallye #101: Herzensweine - Vom Wochenbett zur Weinprobe

Die Geschichte liegt schon lange zurück, fast auf den Tag genau 35 Jahre, denn so alt ist mittlerweile mein jüngster Sohn und bester aller Testesser. Er spielte, neben dem Wein, von dem ich noch erzählen werde,  sozusagen die Hauptrolle, obwohl er damals noch gar keinen Wein mochte.
Der beste aller Testesser versprach, laut Ultraschall, ein ziemlich großes und schweres Baby zu werden. Da schon sein älterer Bruder ein schwerer Brocken war und während der Geburt kurzfristig das Leben von Kind und Mutter in Gefahr war, sollte Nummer 2 vorsichtshalber mittels programmiertem Kaiserschnitt am 12. August auf die Welt geholt werden. Alles ging gut. Es war lustig und interessant zu erleben, was für ein Hochbetrieb während eines Kaiserschnitts im Operationssaal der Stuttgarter Landesfrauenklinik herrscht. Professor, Narkosearzt, Kinderarzt, die dazugehörigen Krankenschwester und jede Menge Studenten, alles allem rund 20 Menschen, bereiteten dem Kleinen einen großen Bahnhof.
Was das nun mit Wein zu tun hat? Jedes Jahr findet in der zweiten Augusthälfte in Grunbach im Remstal eine Weinberbegehung mit Weinproben statt. Die Grunbacher Wengerter schenken ihren Wein zur Verkostung aus, darunter meinen damaligen Lieblingswein, einen Grunbacher Wartbühl Riesling Weinbeisser, während die Grunbacher Weinbäuerinnen für unerschöpflichen Nachschub an selbst gebackenem Zwiebel- und Salzkuchen sorgen. Da wollte ich unbedingt dabei sein. Rund 5 km lang ist die Wanderstrecke, die Grunbacher Weinberge hinauf und hinunter.

Damals musste man jedoch nach einem Kaiserschnitt noch rund zwölf Tage im Krankenhaus verweilen. Das passte mir gar nicht ins (Weinproben)Programm. So entließ ich mich samt kleinem Sohn bereits drei Tage vor dem geplanten Entlassungstermin. Als ich dem Professor, der mich operiert hatte erklärte, daß ich früher heim wollte, um an der Grunbacher Weinprobe teilzunehmen, fiel ihm vor Erstaunen fast das Stethoskop vom Hals. Doch er ließ uns gehen, weil Mutter und Kind in bestem Zustand waren.
So machte ich mich Ehemann, dem älteren Bruder Max und dem Kinderwagen mit Moritz am Samstag auf den Weg nach Grunbach. Sozusagen vom Wochenbett zur Weinprobe. Das Probieren des Weins überließ ich allerdings dem frisch gebackenen zweifachen Vater. Der kleine Moritz  sollte in seiner ersten Lebenswoche ja noch keinen "Rausch" bekommen, denn er wurde noch gestillt. Nun war vor 35 Jahren Stillen in der Öffentlichkeit bei weitem nicht so selbstverständlich wie heute. Zu diesem Zweck verschwand ich mit dem Säugling gelegentlich zwischen den Weinreben oder hinter dem Wengerterhäusle, während Max sich mit Salzkuchen und Apfelsaftschorle sättigte und der Vater den Wein verkostete.
Der Grunbacher Wartbühl Riesling "Weinbeisser" Kabinett trocken, ist ein feiner, gehaltvoller Wein mit kräftiger Säure,  Zitrus, grüner Apfel, angenehm, knackig, mit Biss, kernig und harmonisch. Diese Aussage stammt nicht von mir, sondern von den Fachleuten im Beurteilen von Weinen. Für Robert Parker, den umstrittenen amerikanischen Weinpapst, wäre der Grunbacher Wartbühl möglicherweise keinen Probeschluck wert. Er steht ja mehr auf Bordeaux Weine, die wiederum mir nicht schmecken. Ich halte es da mit Weinkritiker Eckhard Supp, der sagte: "Der Wein muss Ihnen schmecken, nicht Herrn Parker"! Mir schmeckt der Grunbacher Wartbühl noch heute. Immer wenn ich auf Besuch im Remstal bin, dann trinke ich ein, zwei oder drei Viertele dieses urschwäbischen Weißweines. Und denke mit einem Lächeln an den August 1981 zurück....




Montag, 22. August 2016

Verrine mit Flusskrebsen, Avocado und Grapefruit in Zitrusgelee

Bei meinem Fischhändler gab es dieser Tage Flusskrebse. Die lachten mich mit ihrer leuchtend roten Farbe so richtig an. Außerdem sind Flusskrebse nicht jeden Tag im Angebot.
In Spanien wurde einheimische Flusskrebse bis noch vor einigen Jahrezehnten gern und reichlich gegessen, vor allem in Castilla-La Mancha und Aragón. Doch Überfischung und Umweltverschmutzung sowie die Krebspest, die durch die Einführung des amerikanischen roten Flusskrebses eingeschleppt wurde, machten den einheimischen Flusskrebsen seit Mitte der 1970er Jahre fast den Garaus. Nicht nur in Spanien, sondern in fast ganz Europa.
Derzeit sind die wenigen "wilden" spanischen Flusskrebse eine geschützte Spezie. Sie dürfen weder gefangen noch gegessen werden. Die meisten Flusskrebse auf dem spanischen Markt stammen aus Zuchtstationen.
Da meine Flusskrebse bereits gekocht waren - was die Fischverkäuferin erfreute, denn so werde sie nicht gezwickt - entschloss ich mich, mit den Flusskrebsen eine Verrine zuzubereiten. Avocado, Grapefruit und Limetten waren im Haus. Der zarte, leicht nussige Geschmack der Krebse harmonierte sehr gut mit dem milden Avocadopüree und dem leicht säuerlichen Zitrusgelee. Letzteres bekam durch eine kräftige Prise Piment d'Espelette noch etwas Pepp. Leicht und schnell herzustellen ist diese sommerlich, frische Vorspeise auch noch.
Verrine mit Flusskrebsen, Avocado und Grapefruit in Zitrusgelee
Für 2 Personen
1 reife Avocado, aber nicht überreif
1 Limette
Limettensalz
weißer Pfeffer aus der Mühle
1 rosa Grapefruit
Für das Zitrusgelee:
1  rosa Grapefruit
1 Limette
1 Blatt Gelatine
Piment d'Espelette
Limettensalz
Und dann noch:
100 g gekochte, ausgelöste Flußkrebsschwänze (mit Schale circa 500 g)

Gelatine in lauwarmem Wasser einweichen. Den Saft der zweiten Grapefruit und der Limettenhälfte in einem kleinen Topf erhitzen. Die gut ausgedrückte Gelatine unterrühren. Mit Limettensalz und Piment d'Espelette kräftig abschmecken. Etwas abkühlen lassen.

Inzwischen die Avocado halbieren, den Kern entfernen. Mit einem Löffel das Fruchtfleisch auslösen und in eine Schüssel geben. Den Saft einer halben Limette zufügen. Dann das Fruchtfleisch mit einer Gabel fein zerdrücken. Mit Limettensalz und weißem Pfeffer würzen. Die Masse in zwei Gläser füllen.

Die Grapefruit quer halbieren. Mit einen spitzen, scharfen Messer Fruchtfleischsegmente aus den weißen Häutchen schneiden. Die ausgelösten Grapefruitstücke auf der Avocadomasse verteilen. Die Flusskrebsschwänze wiederum auf die Grapefruitstücke legen.

Dann das leicht abgekühlte Zitrusgelee vorsichtig in die vorbereiteten Verrinegläser gießen. Gläser mit Folie verschließen und für mindestens vier Stunden, besser noch über Nacht, in den Kühlschrank stellen.




Montag, 15. August 2016

Lammhaxen in Rotweinsauce mit Tapenade

Hier an meiner spanischen Mittelmeerküste sind die Madrilenen als Urlauber (und auch sonst) sehr unbeliebt. Sie fallen in Scharen ein, wie die Schmeißfliegen und fangen hochfahrend jeden Satz mit: "Es que en Madrid todo es mejor...!" (Also in Madrid ist alles besser) an. Leider hat Madrid keinen Meeresstrand, denn sonst würden sie zuhause bleiben, dort wo alles angeblich so viel besser ist. Zum Glück ist die Masse der Madrilenen maximal die beiden Sommermonate Juli und August hier. Dann verschwinden sie wieder. Kenner sagen, deshalb solle man Madrid nur im Juli und August besuchen, denn dann seien die Madrilenen.......
Einen Vorteil hat es jedoch, wenn im Sommer die Madrilenen hier sind. Sie essen gern Lammkotelett von der Keule. Das Kotelett soll ordentlich groß sein. Folglich werden zur Zeit in den hiesigen Metzgereien viele Lammhaxen angeboten. Die mögen die Madrilenen nicht. Aber ich mag sie. Denn es geht nichts über eine geschmorte Lammhaxe. Der relativ große Knochenanteil verleiht der Lammhaxe einen unvergleichlich kräftigen, würzigen Geschmack. Da lässt man jedes Lammfilet liegen.
Geschmort habe ich die Lammhaxen mit einem kräftigen Rotwein aus dem nordspanischen Bierzo, Schalotten, Knoblauch und ein paar frischen Rosmarinzweigen. Dazu noch einige Stückchen getrocknete Orangenschale, man sie in der Provence gern verwendet.
Im Herbst ist bei mir wieder eine Reise in die Provence geplant. Also ist es höchste Zeit, das restliche Olivenöl und die köstliche Tapenade aus Nyons zu verbrauchen, damit ich in Frankreich guten Gewissens wieder jede Menge Köstlichkeiten einkaufen kann. Deshalb würzte ich die Rotweinsauce mit etwas Tapenade. Das bekam der Sauce sehr gut.

Lammhaxen in Rotweinsauce mit Tapenade
pro Person 1 Lammhaxe
1 Flasche trockener Rotwein, am besten aus der Provence
Meersalz
12 kleine Schalotten
4 rosa Knoblauchzehen
3-4 EL Olivenöl nativ extra
3-4 Stückchen getrocknete Orangenschale
2 Zweige Rosmarin
Orangensalz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
2 TL Tapenade aus der Provence

Schalotten und Knoblauchzehen häuten. Knoblauchzehen in Scheibchen schneiden. Lammhaxen mit Meersalz einreiben.

Olivenöl in einem Topf erhitzen. Lammhaxen im heißen Öl von allen Seiten goldbraun anbraten. Herausnehmen. Im heißen Öl die Schalotten und die Knoblauchscheibchen bei schwacher Hitze 3-4 Minuten anschwitzen. Schalotten wieder aus dem Topf nehmen. Lammhaxen zurück in den Topf geben. Mit Rotwein ablöschen. Orangenschale und Rosmarin zum Fleisch geben. Gut zugedeckt circa 70-80 Minuten bei mittlerer Hitze schmoren. Die angebratenen Schalotten für die letzen 10-15 Minuten mitschmoren.

Wenn das Fleisch weich ist, wenn möglich den Knochen entfernen. Kräuter und Orangenschalen aus dem Topf nehmen. Die Sauce mit Tapenade und schwarzem Pfeffer abschmecken.

Dazu gab es bei mir in Olivenöl confierte Kartoffelschnitze.

Mittwoch, 10. August 2016

Parfait mit Balsamicoessig und gebratenen Aprikosen zu Zorras CXXII Blog-Event Steinobst

Um Steinobst geht es bei dem CXXII Blogevent, den Christina vom Blog The Apricot Lady in Zorras Kochtopf veranstaltet. Wir sollen also Gerichte mit Pfirsichen, Kirschen, Nektarinen, Aprikosen, Zwetschgen, Pflaumen oder Mirabellen zubereiten. Da traf es sich gut, daß ich auf unserem Wochenmarkt noch die letzten Aprikosen der Saison ergattert hatte. Doch was mache ich jetzt damit? Aus meinem Blogarchiv darf ich kein Rezept nehmen, obwohl ich da einige hätte. Immer wenn ich Inspirationen für ein Gericht suche, dann gucke ich in meinen Küchenschrank und schnuppere am Gewürzregal. Meist fällt mir dann etwas ein. Im Kühlschrank war noch reichlich Schlagsahne und Eier. Dann fiel mein Blick auf eine Flasche mit 45 Jahre altem spanischen Balsamicoessig aus der andalusischen Provinz Huelva. Der stand natürlich nicht im Kühlschrnak, sondern im dunklen Küchenschrank neben dem Olivenöl. Und schon wusste ich, was es zum o.g. Blogevent gibt: Ein Parfait mit Balsamicoessig und gebratenen Aprikosen, die mit Anissamen gewürzt werden. Das klang verrückt, und ich war auf das Ergebnis sehr gespannt.
Zu den drei europäischen Essigsorten, die nach den Regeln der EU die Bezeichnung Herkunftskontrolle (Denominación de Orígen) tragen dürfen, gehören zwei spanische Essige: Der Sherryessig, Vinagre de Jerez D.O. und der Vinagre del Condado de Huelva D.O., der aus der Provinz Huelva stammt.

Fast noch ein Geheimtipp sind diese Essige aus der nordandalusischen Provinz Huelva. Diese wunderbaren Essige werden wie der Sherry nach der Soleramethode hergestellt. Wie bei den Sherryessigen werden auch der Vinagre del Condado de Huelva D.O. nach jungen vinagres jovenes und reifen Essigen vinagres viejos klassifiziert. Die Vinagres viejos del Conado de Huelva D.O. reifen nach der Soleramethode 6-12 Monate in Eichenfässern, die nicht mehr als 650 Liter fassen. Die Vinagres Reserva del Condado de Huelva D.O. reifen mindestens ein Jahr in Eichenfässern und die Vinagres del Condado de Huelva Añada mindestens drei Jahre.
Kann hingerissen bin ich von den spanischen Balsamicoessigen, die ebenfalls aus Huelva stammen. Absolute Spitze sind die Vinagres de vino dulce Pedro Ximénez, hergestellt aus der süßen Pedro Ximénez Traube. Der dunkel-mahagonifarbenen PX-Essig hat zwar auch 7º Säure, schmeckt jedoch keineswegs sauer sondern sehr aromatisch. Diese Essige stehen dem italienischen Balsamicoessig aus Modena in nichts nach. Sie sind sogar eher aromatischer als dieser.  PX-Essige sind 12 bis 45 Jahre alt, schmecken leicht nach Rosinen, Vanille, getrockneten Feigen und Honig und haben ein perfektes Gleichgewicht zwischen Süße und Säure.
Von so einem kostbaren 45 Jahre alten spanischen Balsámicoessig habe ich zwei Eßlöffel für dieses Parfait geopfert. Es hat sich gelohnt. Das Parfait, natürlich mit viel Sahne, schmeckte wunderbar aromatisch nach Vanille, Rosine und Honig, mit einem angenehmen Hauch von Säure und harmonierte perfekt mit der Süße der leicht angebratenen Aprikosen. Also war meine Idee gar nicht so verrückt.

Parfait mit Balsamicoessig und gebratenen Aprikosen
Für das Parfait:
150 ml Schlagsahne
2 Eigelb
125 g Puderzucker
200 ml Schlagsahne
2-3 EL spanischer Balsámicoessig de Huelva D.O.oder Aceto Balsamico tradizionale di Modena
Für die Aprikosen:
16 Aprikosen
1 TL Anissamen
1 TL brauner Zucker
20 g Butter
ein paar Blättchen Zitronenverbene

Eigelb mit dem Puderzucker mit dem Schneebesen verrühren, bis eine cremige Masse entsteht. 75 ml Sahne erhitzen. Die heiße Sahne langsam in die Eimasse gießen. Dabei immer schön rühren. Die Schüssel in ein Wasserbad stellen. Circa 7 Minuten im Wasserbad aufschlagen, bis die Masse leicht dicklich wird. Aus dem Wasserbad nehmen und etwas abkühlen lassen.

Die restliche Sahne (200 ml) sehr steif schlagen. Zuerst den Balsámicoessig in die Eimasse rühren, dann die geschlagene Sahne gut unterheben. Das Balsámicoparfait in eine längliche Form füllen, mit Folie abdecken und für mindestens 12 Stunden ins Gefrierfach stellen.

Aprikosen waschen, gut abtrocknen. Dann halbieren und den Stein entfernen. Die Aprikosenhälften in feine Spalten schneiden.

Butter in einer Pfanne schmelzen lassen. Die Aprikosensegmente in der heißen Butter von beiden Seiten etwas anbräunen. Aber nicht länger als 5 Minuten, sonst wird es Kompott. Mit braunem Zucker und Anissamen bestreuen.

Zum Servieren das Balsámicoparfait in Scheiben schneiden und auf Teller verteilen. Mit Aprikosensegmenten umlegen. Mit Zitronenverbeneblättchen dekorieren.

Blog-Event CXXII - Steinobst (Einsendeschluss 15. August 2016)

Montag, 8. August 2016

Gebratenes Stubenküken mit frischen Bohnenkernen

Der Monat August ist die einzige Zeit im Jahr, in der man frische Bohnenkerne bekommen kann. Aber auch das nur mit etwas Glück. Wer also frische Bohnenkerne auf dem Markt findet, sollte unbedingt zugreifen. Am ehesten haben die Gourmets Zugang zu dieser Köstlichkeit, die einen Gemüsegarten ihr eigen nennen oder einen freundlichen Nachbarn haben, der einen solchen hat. Wer einen Garten hat,  kann die zarten und saftigen Kerne auslösen, bevor sie ausgereift und am Strauch getrocknet sind. Dann schmelzen sie geradezu auf der Zunge wenn sie gekocht sind und schmecken umwerfend gut.
Bohnenkern ist Bohnenkern? Von wegen: Sie gehören zwar alle derselben Familie an, unterscheiden  sich aber in Größe, Farbe und Geschmack ganz erheblich. Die Vielfalt der Bohnenkerne ist groß. Da gibt es lila-schwarz gesprenkelte Kerne aus den Feuerbohnen, weiße Bohnenkerne, dunkelrote Kidney Bohnenkerne, zartgrüne Flageolets aus Frankreich, bräunliche Wachtelbohnen mit den hübschen pinkfarbenen Tupfen,  weiße Borlottibohnenkerne mit rosa Sprenkeln, manche alten Sorten sind malerisch gefleckt, getupft oder gestreift.

Bohnenkerne - ob frisch oder getrocknet – darf man auf keinen Fall sprudelnd kochen. Das in den Kernen enthaltene empfindliche Eiweiß wird hart, wenn es zu heiß wird. Als Folge davon werden auch die Bohnenkerne nicht richtig weich. Bohnenkerne mit Biß schmecken nun aber gar nicht. Salzen sollte man die Bohnenkerne immer von Anfang an. Sie brauchen erstaunlich viel Salz und nur wenn es von Anfang an im Kochwasser ist, kann es auch in die Kerne eindringen.
Gerade die Kerne mit wertvollem Eiweiß, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen und B-Vitaminen sind ein guter Ersatz für alle, die kein Fleisch essen. Aber Vorsicht: Ungegart enthalten frische Bohnekerne Phasin, das den Magen verderben bis vergiften kann. Nach 7 bis 15 Minuten Garzeit ist das Phasin aber völlig verschwunden. Für Rohköstler sind die meisten frischen Kerne also nicht geeignet.

Nicht nur fürs Auge habe ich in den letzten zehn Minuten noch ein paar bunte Kirschtomaten aus meinem Garten mit dem Stubenküken geschmort. Ehe die Kaninchen sie fressen.

Gebratenes Stubenküken mit frischen Bohnenkernen
Pro Person 1 Stubenküken
Pro Stubenküken 1 kleine Zitrone
12 Zitrone
Zitronensalz
mildes Olivenöl nativ extra
Für die Bohnenkerne:
1,5 kg Bohnenkerne noch in den Hülsen
1 Schalotte
1 TL Butter
2 Zweige Bohnenkraut
Meersalz
1 Gläschen Weißwein
Und dann noch:
200 g bunte Kirschtomaten aus dem eigenen Garten

Den Backofen auf 180ºC vorheizen. Zitronen halbieren. Stubenküken innen salzen. Dann die Zitrone in den Bauch legen. Die Schenkel der Stubenküken mit Küchengarn zusammen binden. Stübenküken in eine feuerfeste Form legen. Olivenöl mit dem Saft einer Zitrone und Zitronensalz verrühren. Die Stubenküken damit einpinseln. In den Bakofen schieben und bei 180ºC circa 10 Minuten braten. Dann auf 160ºC herunterschalten und weitere 45 Minuten braten. Für die letzten zehn Minuten die Kirschtomten in die Form geben und mitbraten.

Die Bohnenkerne aus den Hülsen nehmen. Schalotte häuten und fein hacken. Butter in einem flachen Topf schmelzen. Schalotten in der Butter 2-3 Minuten anschwitzen. Dann die Bohnenkerne zugeben und noch 1-2 Minuten mitschwitzen. Bohnenkraut und Meersalz zufügen. Mit Weißwein ablöschen. Bei schwacher Hitze circa 30-40 Minuten schmoren. Die Bohnenkerne so lange köcheln, bis sie wirklich schmelzend zart sind.

Zum Servieren die Bohnenkerne auf vier Teller verteilen. Darauf je ein Stubenküken legen. Die Kirschtomaten drumherum verteilen.


Montag, 1. August 2016

Verjus - selbstgemacht aus grünen Muskatellertrauben

Verjus ist kein Essig, sondern ein säuerlicher Saft, der aus unreifen blauen oder weißen Trauben gepresst wird. Für Winzer ist der Verjus ein ausgezeichnetes Ergänzungsprodukt. Im Spätsommer werden aus Gründen der Qualitätssteigerung die Reben oft ausgedünnt. Das bedeutet, daß manchmal fast die Hälfte der Trauben eines Weinstocks entfernt werden. Lange Zeit landeten diese unreifen Trauben einfach auf dem Boden und vergammelten. Nun werden die unreif geernteten Trauben gepresst, der Saft wird anschließend gefiltert und pasteurisiert.

Im Mittelalter war der Verjus ein wahrer Europäer. Die Katalanen nannten ihn agras, die Italiener agresto, die andalusisch-arabischen Köche kannten ihn als hisrim, die Engländer als verjons und bei den Deutschen hieß er Agraz. Damals war der Verjus ein sehr gebräuchliches Lebensmittel. Man schätzt, daß der Verbrauch bei sieben Liter pro Kopf und Jahr gelegen habe. Jean-Louis Flandrin (1931 – 2001),  ein französischer Historiker und Autor zahlreicher Bücher über Lebensmittel, schätze, daß der Verjus in 42% der Rezepte des mittelalterlichen Kochbuchs Viandier auftauchte, das der Koch Guillaume Tirel, genannt Taillevent etwa im Jahr 1320 schrieb. Auch in späteren französischren Kochbüchern taucht Verjus als Zutat sehr häufig auf. Man verwendete Verjus anstelle von Zitrone oder Essig für Vinaigrettes, für Fleisch- und Fischgerichte, zum Zubereiten von Saucen oder zum Marinieren. Da seinerzeit die Pasteurisierung noch unbekannt war, fügte man dem Verjus Salz zu, um ihn länger haltbar zu machen.
Es war Jean Naigeon, der um 1752 erstmals Verjus für die Senfherstellung verwendete, statt des starken Essigs. Diese Neuerung krempelte die Senfindustrie völlig um und führte zum Ruhm des Senfs von Dijon. Die Reblaus beendete Ende des 19. Jahrhunderts jedoch die Karriere des Verjus. Heute wird auch der Dijonsenf mit Essig hergestellt.
  Grünernte der Trauben aus dem „Tacuinum Sanitatis“ (1474)
  Foto: Bibliothèque nationale de France

Im 18. Jahrhundert bekam der Verjus zusätzlich ernsthafte Konkurrenz durch den Essig und die Zitrone. Danach geriet der Verjus fast in Vergessenheit. Außer im südwestfranzösischen Périgord. Es ist bewiesen, daß hier der Verjus bis heute bei Groß und Klein in Gebrauch ist. Circa sieben Liter sollen die Périgourdins pro Kopf und Jahr verbrauchen. Er wird mit Johannisbeeren, feinen Kräutern und Gewürzen abgezogen und würzt so zahlreiche Saucen. Auch als erfrischendes Sommergetränk, vermischt mit saurem Sprudel, mögen ihn die Périgourdins. Allerdings ist im Périgord der Verjus längst pasteurisiert und so wahrscheinlich weniger sauer dafür aber fruchtiger als im Mittelalter.
Inzwischen hat sich der Verjus langsam aber sicher wieder seinen Platz in der Gastronomie zurückerobert. Zu Recht, denn seine Säure ist milder als die von Essig, sein Aroma feiner als das von Zitronensaft.

Mein Verjus ist ebenfalls deutlich milder und weniger sauer als Essig und man schmeckt das feinwürzige Aroma der Muskatellertraube auf der Zunge. Ich verwende Verjus z.B. statt Wein zum Aufgießen von Saucen für Geflügel, Bries oder Nieren, auch für fruchtige Fischsaucen und für Vinaigrettes. Bei Sommerhitze ist Verjus mit Sprudel und einem Spritzer Holunder- oder Cassissirup, der eine leichte Süße verleiht, ein erfrischendes Getränk..

Verjus -selbstgemacht aus grünen Muskatellertrauben
möglichst viele unreife (grüne) Trauben

Die Trauben gründlich unter fliessendem Wasser abwaschen. Die Beeren vom Strunk abzupfen und durch die Flotte Lotte drehen. Wer keine Flotte Lotte hat, stampft die Trauben in einer Schüssel oder in einem Mörser zu einem feinen Brei. Eine Mordsarbeit, sage ich euch.

Den Traubensaft durch ein Haarsieb in eine Schüssel seihen. Dann noch einmal durch ein mit Küchenpapier oder einem feinen Mulltuch ausgelegtes Haarsieb durchseihen. Den Saft in einen Topf füllen. Zum Kochen bringen, um die Hefesporen abzutöten.

Den Verjus abkühlen lassen und in sehr saubere Flaschen oder Einmachgläser abfüllen.

Noch ein Tipp:
Angebrochen sollte man die Flasche Verjus unbedingt im Kühlschrank aufbewahren, da der Säuregehalt allein zur Konservierung nicht ausreicht.


Hier zwei Rezepte für Gerichte mit Verjus:
Wachteln in Verjus geschmort mit Estragon und Zuckerschoten


Forellenmousse mit frischen Kräutern